Torschlusspanik: Wie sie entsteht und wie man sie überwindet
Eine stabile Beziehung, gemeinsame Kinder, vielleicht noch das Haus im Grünen? Klingt nach einem sehr typischen, sehr idyllischen Lebensentwurf. Der so für Männer und Frauen nicht mehr generell passt. Denn nach der Matura, der Ausbildung und den ersten Jahren im Job blinken recht plötzlich die runden Geburtstage auf. Dann tickt die berüchtigte biologische Uhr und macht deutlich, dass sich niemand ewig Zeit lassen kann mit der Frage, wann genau die eigenen Kinder auf den Plan treten sollten.
Der Zeitpunkt ist, wie könnte es anders sein, geschlechterabhängig. Während Frauen spätestens mit der runden 30 anfangen, über tickende Uhren und Babynamen nachzudenken, zieht es Männer meist erst jenseits der 40 verstärkt zu diesen Themen. Dieser Altersabstand macht für beide die Suche nach dem passenden Partner nicht leichter. Ganz im Gegenteil. Denn ist der Mann jenseits der 40 soweit, sich emotional auf feste Beziehungen samt Kindern einzulassen, sind die gleich alten Frauen längst in einem Alter, indem das Kinderkriegen kompliziert wird. Jüngere Frauen berichten im Gegensatz dazu, wie sie lange Zeit auf den Meinungsumschwung des Partners warteten. Den eigenen Kinderwunsch über längere Zeit hinweg aufschoben – bis dann die Beziehung zerbrach und der Partner für das erste Kind plötzlich fehlte.
Torschlusspanik: Die Angst, die Familiengründung zu verpassen
Im Grunde ist die „Torschlusspanik“ die Angst davor, etwas zu verpassen, ein gestecktes Ziel nicht mehr erreichen zu können. Viele Jahre mag das ein bestimmter Karriereschritt sein oder die Idee, bestimmte materielle Güter zu erwerben oder besondere Länder zu bereisen.
Irgendwann, aber in der Regel um den 30. und 40. Geburtstag herum wird dann die biologische Uhr lauter. Begünstigt wird das sicherlich dadurch, dass traditionell zu diesen Zeitpunkten ein kleiner Rückblick auf das bisher Erreichte durchgeführt wird. Da wird reflektiert und überdacht, was das Leben einem noch bieten kann, wohin der weitere Weg wohl führt. Und gerade jenseits der 40 stellt sich die berechtigte Frage, mit wem genau man die kommenden Geburtstage feiert.
Und so kommt es, dass die Torschlusspanik fast ausschließlich auf den Kinderwunsch reduziert wird. Lange Zeit war der dringende Kinderwunsch den Frauen vorbehalten, mittlerweile sind auch die Männer mittendrin in der zielgerichteten Lebensplanung. Denn Frau, Hochzeit und Kinder gehören mittlerweile wieder zum Konzept eines erfolgreichen Lebens. Wer hier nicht mithalten kann, fühlt sich auf sozialer Ebene schnell als Versager.
Patchworkfamilien haben es hier oft etwas einfacher: Hier sind meistens schon Kinder vorhanden, die mit in eine neue Beziehung gebracht werden. Torschlusspanik entsteht in dieser Konstellation oft dadurch, dass zumindest ein Partner gern noch ein gemeinsames Kind hätte – während der andere Partner mit der vorhandenen Kinderzahl absolut zufrieden ist. Es kann auch vorkommen, dass die jeweils mitgebrachten Kinder bereits älter sind und ein Baby für alle eine große Herausforderung darstellt. Während es dem einen Partner nur recht wäre, einen Nachzügler zu umsorgen, scheut der andere die unruhigen Nächte, die damit zusammenhängende große Betreuungsarbeit und die Risiken, die sich durch eine spätere Elternschaft entstehen.
„Warum erst jetzt?“ – Trennung durch unterschiedliche Lebensziele
Manchmal standen zuerst Karriere und familienunfreundliche, aber übliche Arbeitszeiten im Fokus. Manchmal fehlte der passende Partner, um frühzeitig dem Kinderwunsch nachzukommen. Enttäuschte Frauen berichten davon, dass vor allem der Partner lange Zeit den Zeitpunkt für die Familienplanung nach hinten verschob.
Auch wenn mittlerweile Beziehungen und Familienmodelle sehr flexibel gestaltet sind, das ideale Alter um Kinder zu gebären liegt unterhalb der vierzig Jahre. Je älter Frauen werden, desto schwieriger wird die Empfängnis; die Chance auf risikolose Schwangerschaften sinkt. Das erhöht den Druck mit jeder gescheiterten Beziehung und verstreichendem Jahr, der Familiengründung näher zu kommen.
Strategien gegen Torschlusspanik
Ein fragwürdiger Trend ist die Frosch-Heirat. Was nichts anderes bedeutet, als dass Frauen sich statt auf den Traumprinzen auch auf den Frosch einlassen. Die stabile Beziehung ohne große Überraschungen und Leidenschaften, aber dafür mit Häuschen im Grünen samt spielenden Kindern wird zum Ziel. Liebe und echtes Glück werden – leider – eher nebensächlich. Dieser Vernunftheirat folgt schnell genug die Scheidung, weil sich der Lebenspartner dann doch als nicht tragbar im Alltag zeigte.
Wesentlich vernünftiger ist der Ansatz, sich ganz genau mit den Ursachen der Torschlusspanik zu beschäftigen. Denn die sind doch eher individuell. Für die Ursachenforschung hilfreich sind Fragen wie:
- Will ich selbst wirklich Kinder? Oder sind es eher die Eltern, Freunde und Partner, die unbedingt auf Enkelkinder, Nichten/Neffen und Stammhalter pochen?
- Was muss passieren, damit sich meine Lebensziele erfüllen? Genügt eine wunderbare Beziehung, muss es in Familiengründung mit allem drum und dran resultieren?
- Was brauche ich, um glücklich zu sein?
Vor allem die letzte Frage stürzt Männer und Frauen mit drängendem Kinderwunsch in regelrechte Panik. Sie haben oft genug den falschen Partner jahrelang unterstützt, die Beziehung fortgesetzt, den eigenen Kinderwunsch ignoriert. Manchmal müssen an dieser Stelle die Lebensziele neu überdacht werden.
Wenn sich der bisherige Freundeskreis zunehmend mit Kindern füllt, Freundschaften auseinanderdriften und sich die Interessen grundlegend voneinander unterscheiden, wird es womöglich Zeit für neue Freunde. Statt sich unter Druck setzen zu lassen von den gesellschaftlichen Erwartungen, sich selbst in den Kreis der freudigen Eltern einzureihen. Sich selbst von diesem Erwartungsdruck zu befreien, bietet nach Aussage von Paartherapeuten auch die Chance, locker und gelassen eine neue Partnerschaft zu beginnen.
Selten genutzt, aber medizinisch gesehen möglich sind sowohl Schwangerschaft durch Samenspende als auch die Leihmutterschaft. Beides wird gesellschaftlich scharf kritisiert und muss sehr genau überdacht werden. Zumal die gesamte Verantwortung für das so entstandene Kind ausschließlich auf einem Paar Schultern lastet. Dann ist die biologische Uhr zwar verstummt, aber der Wunsch nach einem liebevollen Partner und einer gemeinsamen Familienidylle besteht weiterhin.
Liebesglück und Kinder anstelle von Alleinsein
Während sich die einen mit neuen Lebenszielen glücklich einrichten, ändert sich für die anderen gar nichts: Der Kinderwunsch bleibt und das Gefühl, ohne Hochzeit und Liebesglück etwas sehr Wichtiges im Leben zu verpassen.
Beziehungsexperten raten dazu, bei der Partnerwahl nicht zu schnell mit dem Wunsch nach der Familiengründung herauszuplatzen. Allerdings, und das macht es für Singles wirklich schwer, auch keinesfalls zu spät. Irgendwo in der Mitte einer neuen Kennenlernphase sollte sie schon gestellt werden, die Gretchenfrage nach Kinderwunsch und Familienplanung.
Ungünstig ist es jedenfalls
- Beim allerersten Date die Vaterqualitäten abzufragen. Mutterqualitäten übrigens ebenso.
- Der potenziellen Partnerin das bezugsfertige Nest zu präsentieren, um möglichst schnell die Beziehung voranzutreiben.
- Sich selbst auf heiratsfähiges „Material“ zu reduzieren, indem vor allem auf Gesundheit (Nichtraucher, schlank) und Sicherheit (finanziell abgesichert, Eigenheim) hingewiesen wird.
Auch wenn die Zeit scheinbar im Eiltempo verrinnt, wirken konkrete Fragen nach Kinderwunsch und Familiengründung eher abschreckend, wenn der Zeitpunkt der falsche ist. Einige Partnervermittlungen bieten ganz offen die Möglichkeit an, bereits auf dem Profil Angaben zum Kinderwunsch zu machen. Auf diese Weise wissen beide Partner bereits vor dem ersten realen Kennenlernen, wie es beim anderen um das Thema Familiengründung steht. An den Falschen kann man trotzdem noch geraten, sodass zu einem späteren Zeitpunkt unbedingt noch mal das Thema Kinderwunsch angesprochen werden sollte.