
Warum sprechen Männer nicht über Gefühle?
Das erste Date war toll, das zweite noch besser, doch dann stockt es irgendwie: Die Männer, die du datest, kommen nicht so richtig aus sich heraus. Du weißt nicht, wie es ihnen gefühlsmäßig geht. Manche ziehen sich zurück, sobald es ernst zu werden scheint. Andere reagieren ablehnend, sobald du über deine Gefühle sprechen möchtest. Was ist da bloß los?
Sozialisation ist los, denn Männer könnten eigentlich – genau wie Frauen – ihr Herz auf der Zunge tragen. Sie haben nur gelernt, es lieber nicht zu tun. Bei der Partnersuche ist das aber eher hinderlich.
Männliche Sozialisation: ungeübt im Gefühle benennen
Gefühle werden unbewusst gegendert. Mitleid, Traurigkeit und Tränen sind weiblich, Wutausbrüche eher männlich. Burschen sind selbstbewusst und stark, Mädchen sind sensibel und einfühlsam. Genau diese Zuschreibungen werden positiv verstärkt, während als unpassend gewertete Gefühle unterdrückt werden.
Burschen bekommen dann zu hören, nur Mädchen würden weinen, wenn sie Angst oder Schmerzen hätten. Jungen dagegen müssten stark sein, ihre Tränen unterdrücken und sich einfach durchkämpfen oder ihre Probleme mit rationalen Lösungsansätzen bewältigen.
Bei Mädchen wirkt sich die Sozialisation übrigens oft so aus, dass sie mit Wut und Aggression im späteren Erwachsenenleben nicht gut umgehen können. Statt ihre Wut über eine ungerechte Behandlung auszudrücken, brechen sie stattdessen unwillkürlich in Tränen aus – und ihrer Wut damit kaum Ausdruck verleihen. Denn die Sozialisation lässt für Mädchen oft nur Trauer und Tränen zu – klar formulierte Wut gilt dagegen als unweiblich.
Diese strikte Kategorisierung von Gefühlen hat negative Auswirkungen auf das Vokabular der Heranwachsenden. Du kennst das wahrscheinlich: Dein Date ist so eloquent und nett, kann aber seine bedrückte Stimmung nicht so richtig in Worte fassen. Stattdessen wird er stumm, zieht sich zurück – und tut später so, als wäre gar nichts gewesen.
Die moderne Pädagogik spricht sich ganz klar dafür aus, dass Kinder ihre Gefühle umfangreich ausleben sollten, ohne sich dabei auf angeblich männliche oder weibliche Gefühlswelten zu beschränken. Nur hilft dir das beim aktuellen Date mit einem erwachsenen Mann ja nicht weiter. Was kannst du also tun, um dem männlich sozialisierten Menschen in deinem Datingleben den Zugang zu seinen Gefühlen zu erleichtern?
Männer und Emotionen: eine kleine Gefühlskunde
Grundsätzlich sind Emotionen und Gefühle völlig unabhängig vom Geschlecht.
Basisemotionen wie Freude, Trauer, Furcht, Ekel und Überraschung werden durch komplexe Emotionen wie Empathie, Verlegenheit, Stolz, Scham und Schuld ergänzt. Emotionen zeichnen sich durch eine Kombination aus kognitiver und physiologischer Repräsentation aus. Mimik, Gestik und Körperreaktionen wie verstärktes Schwitzen, erhöhter Herzschlag oder schlagartig kalt werdende Hände und Füße gehören zu den unwillkürlichen Begleiterscheinungen von Emotionen.
Mit diesen begleitenden körperlichen Symptomen sind sie universell zu identifizieren. Wer überrascht ist, zieh unwillkürlich die Augenbrauen hoch. Ekel zeigt sich in ganz spezifischen Lippenbewegungen – und das über alle Kulturen und Sozialisationen hinweg.
Gefühle sind der subjektiv erlebte Part von Emotionen. Sie sind weniger gut identifizierbar und eben vor allem eins: subjektiv. Gerade Männer haben aufgrund ihrer Sozialisation oft Schwierigkeiten damit, ihre Emotionen und Gefühle sprachlich in Worte zu fassen. Ihnen fehlt – wortwörtlich – das Vokabular dazu, um das Erlebte in Worte zu kleiden. Frauen wachsen dagegen in der Regel mit einer größeren Vielfalt an Ausdrücken auf, die ihnen dabei helfen, ihre Gefühlswelt einzuordnen.
Tipp: Um das eigene Vokabular zur Benennung von Gefühlen auszubauen, eignet sich das Gefühlsrad von Dr. Willcox (Das Gefühlsrad/Feeling wheel): Es liefert eine umfangreiche Einteilung in verschiedene Basisgefühle und deren Ausprägungen.
Kommunikation in der Partnerschaft verbessern
Unausgesprochene Konflikte belasten langfristig die Beziehung. Selbst kleine Missverständnisse schaukeln sich über die Zeit auf und am Ende stehen Paare dann vor einem Berg aus lauter kleinen verletzenden Situationen, die sich nur noch schwer bewältigen lassen. Werden emotionale Themen nicht besprochen, dann
- schaukeln sich Missverständnisse weiter auf.
- bleiben Probleme ungeklärt.
- können kommende Konflikte nicht vermieden werden.
- bilden sich Verletzungen.
- nimmt die emotionale Distanz zwischen Partnern zu.
- sinken die Verbundenheit und die Vertrautheit miteinander.
Deshalb ist es so wichtig, selbst über kleine Vorkommnisse sofort zu sprechen. Hat ein Partner Schwierigkeiten damit, ist das aber gar nicht so einfach. Im ersten Schritt kannst du Ich-Botschaften formulieren, die das kleine Problem genau beschreiben. Verbinde dabei den Anlass mit deinem Gefühl und den Auswirkungen auf dich. So kannst du eine emotional offene Gesprächskultur fördern.
Beispielsätze für eine gelungene Ich-Botschaft mit Gefühlsanteil:
Ich war gestern Abend in Sorge, weil du dich nicht wie verabredet gemeldet hattest. Ich bin dann ängstlich, weil dein Weg nach Hause nach der Arbeit anstrengend sein kann und ich nicht weiß, ob dir eventuell etwas passiert ist. Es ist mir wichtig, dass du dich deshalb ganz kurz wie gemeinsam beschlossen meldest.
Gefühle zulassen, spüren – und erkennen
Warum fällt Männern das Reden über Gefühle schwer? Weil sie oft in der Kindheit erlebt haben, wie als unmännlich klassifizierte Emotionen zu Abwertung führen. Wer lässt sich schon gern erneut auf Scham und Erniedrigung ein?
Da scheint es leichter zu sein, eigene Emotionen einfach runterzuschlucken. Gesund ist das natürlich nicht.
Um eine sichere Umgebung zum Ausleben aller Gefühle zu ermöglichen, kannst du in einem vertrauensvollen Gespräch grundlegende Regeln für euch beide formulieren. Sie können beispielsweise so lauten:
- Alle Gefühle dürfen existieren.
Keine sind verboten, sie sind weder unmännlich noch unweiblich.
Gefühlsäußerungen von anderen werden nicht negativ kommentiert oder abgewertet – auch nicht in Filmen, im Fernsehen oder im Gespräch mit Freunden. - Gefühle wollen erkannt werden.
Da ist es sinnvoll, sich mit dem Vokabular vertraut zu machen und genau hinzuspüren, welches Gefühl gerade vorherrscht.
Humor kann eine Brücke sein, um ungewohnte Gespräche über Gefühle zu öffnen. Es darf aber nicht zur Regel werden, Gefühle mit Humor zu maskieren. - Gefühle möchten zugelassen und gefühlt werden.
Dafür braucht es Zeit und Interesse daran, die eigene Gefühlswelt auch zu spüren. Es ist in Ordnung, dafür Zeit einzufordern oder die Kommunikation darüber kurz zu vertagen, wenn es emotional herausfordernd ist. - Gefühle wollen ausgelebt werden.
Weinen gehört dazu, ebenso wie Lachen, tiefe Trauer oder intensives Glück.
Als Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner kannst du einen sicheren Rahmen schaffen und dein Date dazu ermuntern, Gefühle bewusst wahrzunehmen.
Tipps für Gespräche mit emotionalem Tiefgang
Gespräche in Bewegung
Oft fällt es Menschen leichter, über ihre Gefühle zu sprechen, wenn sie in Bewegung sind. Wenn du also einen Partner hast, der Gesprächen mit emotionalem Bezug schnell dichtmacht, dann kannst du einen gemeinsamen Spaziergang vorschlagen. Auch leichte sportliche Aktivitäten, bei denen Unterhaltungen möglich sind, eignen sich dafür gut.
Gezielte Fragen für Fortgeschrittene
Offene Fragen sind ein guter Einstieg. Je konkreter sie sind, umso leichter fällt es dem emotional verschlossenen Partner vielleicht auch, eine Antwort zu formulieren. Mögliche offene Fragen für eine bessere emotionale Kommunikation:
- Was hat dich heut zum Lächeln gebracht?
- Wie merkst du, dass dich etwas ärgert? (Beschreib es mir anhand von körperlichen Abläufen)
- Wie fühlst du dich, wenn du an deine Kindheit denkst?
- In welcher Situation fühlst du dich von mir besonders geliebt?
- Wie stellst du dir einen perfekten Tag vor?
- Was tust du, wenn du dich einsam fühlst?
Neigt der emotional verschlossene Part dazu, die Fragen nur halb oder eher humorvoll zu beantworten, ist Nachhaken wichtig. Sonst ist Fortschritt hin zu einer emotionaleren Basis für die gemeinsame Beziehung langfristig nicht möglich.
Gemeinsame Kommunikationsformen finden
Manchmal fällt es dem schweigsamen Mann leichter, anstelle von tiefen emotionalen Gesprächen Gesten zu zeigen. Die Gesten allein reichen auf lange Sicht aber nicht aus, können aber ein Anfang sein.
Fällt vor allem Reden schwer, dann gibt es ja noch Textnachrichten oder klassische Briefe. Manche Paare teilen eine Art Konflikttagebuch, bei dem sie Momente mit Verletzungspotenzial notieren und später ganz in Ruhe darüber sprechen.
Apropos Ruhe: Wird der Partner bei Gesprächen mit Gefühlschaos schnell unbeherrscht und wünscht sich, es wäre anders? Dann ist zum einen eine Therapie wichtig, um die darunterliegenden Emotionen anzugehen. Zum anderen lassen sich Safewörter vereinbaren. Wird das Thema kritisch, gehen beide nach Aussprache des Codes kurz für fünf oder zehn Minuten auseinander. Danach trifft man sich dann wieder und kann – hoffentlich mit kühlem Kopf – das Thema erneut angehen.
Diese Tipps erfordern natürlich den Wunsch von deinem Partner und von dir, an der kommunikativen Basis zu arbeiten.
Wie erkenne ich, dass ein Mann Gefühle für mich hat, obwohl er nicht darüber spricht?
Oft setzen Männer eher auf Gesten statt auf große Worte. Dann kann es sein, dass sie verstärkt Zeit mit dir verbringen möchten, aktiv Probleme in deinem Alltag aus dem Weg räumen oder sich intensiv mit allem beschäftigen, das dir wichtig ist.
Körperliche Intimität nimmt für Männer einen größeren Raum ein, um intensive Gefühle auszudrücken. Die körperliche Nähe beim Sex dient vielen Partnern dazu, ihre Liebe und Zuneigung zu zeigen. Gleichzeitig fühlen sie sich dann auch besonders geliebt, wenn Partnerin oder Partner ihre Liebe vor allem auf einer physischen Ebene erwidern.
Ein weiterer Hinweis auf seine Gefühle kann sein, wenn er dich in seine Zukunftspläne einbezieht. Auch kleine Aufmerksamkeiten, wie dir unaufgefordert einen Kaffee mitzubringen oder an wichtige Termine zu denken, zeigen oft seine Zuneigung. Männer neigen zudem dazu, durch „Machen“ statt „Reden“ ihre Emotionen auszudrücken. Wenn er also regelmäßig Dinge unternimmt, um dir das Leben leichter zu machen, ist das ein starkes Zeichen dafür, dass ihm etwas an dir liegt.
Wie kann ich meinen Partner dazu bringen, offener über Emotionen zu sprechen?
Idealerweise etablierst du dafür eine möglichst sichere Gesprächskultur und gehst mit gutem Beispiel voran. Dabei ist es wichtig, dass alle Gefühle in Ordnung sind und dein Partner erfährt, dass du ihn in jedem Fall liebst und wertschätzt. Viele Männer schämen sich, vor ihrer Partnerin vermeintlich schwach zu erscheinen und vielleicht sogar zu weinen. Je sicherer sich der Partner fühlt, desto eher kann er aus sich heraus kommen – und anfangen, seine Stimmung auch verbal auszudrücken.
Hilfreich kann es sein, indirekte Kommunikationswege zu nutzen, zum Beispiel durch gemeinsame Aktivitäten, bei denen Gespräche eher beiläufig entstehen. Spaziergänge oder Autofahrten bieten oft eine entspannte Atmosphäre, in der es leichter fällt, tiefgründigere Themen anzusprechen. Auch offene Fragen, die nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können, regen den Austausch an. Ein wichtiger Aspekt ist es, Pausen in Gesprächen auszuhalten und ihm Raum zu geben, seine Gedanken zu sortieren, ohne ihn zu drängen.
Ist es normal, dass Männer weniger über Gefühle reden als Frauen?
Aus neurologischer Sicht entstehen Gefühle bei Männern und Frauen auf ähnliche Weise, auch die Erfahrung der Basisemotionen wie Freude, Angst oder Ekel sind zwischen den Geschlechtern gleich gelagert. Frauen sind allerdings etwas stärker bei der Interpretation von Gefühlen in der Mimik und Gestik (kognitive Emotionserkennung), was wahrscheinlich auf die unterschiedliche Erwartungshaltung an heranwachsende Mädchen zurückzuführen ist.
Ganz grundsätzlich ist es also nicht normal, sondern beruht auf dem herrschenden Grundsatz, dass Frauen emotionaler seien und sich mehr mit Gefühlen beschäftigen. Frauen lernen einfach früher, sich über Gefühle auszutauschen – und behalten das bei. Männer müssen dagegen aktiv daran arbeiten, diese Kindheitsprägung zu überwinden.
Hinzu kommt, dass gesellschaftliche Rollenbilder oft dazu führen, dass Männer eher als „stark“ und „unerschütterlich“ gelten sollen. Diese Erwartungen können dazu führen, dass Männer Gefühle wie Trauer oder Verletzlichkeit unterdrücken, um diesem Bild zu entsprechen. Es hilft, wenn Männer ermutigt werden, authentisch zu sein und auch vermeintlich „schwache“ Emotionen zuzulassen. Dies erfordert jedoch ein Umfeld, das Offenheit und Akzeptanz fördert – sowohl in der Partnerschaft als auch im sozialen Umfeld.