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Fernbeziehung: Liebe auf Distanz

07.03.2021 Sabrina Sailer

Ob es der Job, die Ausbildung oder die Familie mit sich bringt – manche Liebende leben mit einer größeren Entfernung zwischen sich. Nicht jedes Paar kann das auf Dauer bewältigen. Wir haben Strategien und Tipps zusammengetragen, um die Fernbeziehung zumindest ein wenig erträglicher zu gestalten.

Es gibt Paare, die eine räumliche Trennung trotz Partnerschaft wirklich genießen. Aber: Sie sind die Ausnahme. Meistens ist es doch so, dass sich Liebende möglichst viel sehen und berühren möchten. Wenn schon nicht Tag und Nacht, aber doch wenigstens nach einem langen Tag im Büro. Die Idee, sich dann zur Liebsten oder dem Liebsten auf die heimische Couch zu kuscheln, die Füße hochzulegen und sich gegenseitig vom Tag zu berichten, das klingt zu verlockend.

Vorurteile: Wochenendbeziehungen sind weniger glücklich

Ein ganz und gar typisches Vorurteil zu Wochenendbeziehungen lautet: „Da lebt jeder sein eigenes Leben und betrügt ganz munter!“ Tatsächlich wurde vor längerem in einer Studie untersucht, wie sich die Zahl der Seitensprünge auf Fernbeziehungen und normale Beziehungen verteilt. Heraus kam: Gut 60 Prozent der normalen Partnerschaften erleben in ihrer Dauer einen Seitensprung. Menschen in einer Fernbeziehung gehen dagegen seltener fremd, hier kommt es nur in 40 Prozent der Fälle zum Betrug.

Allerdings dauern Fernbeziehungen im Schnitt auch nur zwei Jahre. Die meisten Paare trennen sich dann – oder ziehen endlich voll und ganz zusammen.

„In der Fernbeziehung weiß man ja nichts vom Leben des anderen“ ist ein weiteres Vorurteil – das allerdings in Teilen durchaus stimmt. Immerhin lässt sich mit modernen Mitteln wie Whatsapp, Skype, Mail und Co. viel mehr Nähe herstellen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, als Telefonate teurer waren und Videotelefonie noch in den Kinderschuhen steckte. Jetzt ist es einfacher, sich in der Mittagspause kurz per Messenger zu melden, der oder dem Liebsten ein Foto des Kantinenessens zu schicken und gemeinsam über ein lustiges Video zu lachen.

Wahr ist aber, dass die weniger schönen Seiten des Partners/derPartnerin recht gut ausgeblendet werden können. Die herumliegenden Socken und das sich stapelnde Geschirr kommt einfach nicht mit auf das Selfie; genauso wenig wie die schlechte Laune am Morgen.

Fernbeziehungen bleiben ein bisschen länger frisch, denn die kleinen Macken der Partnerin oder des Partners bleiben unentdeckt. Trifft man sich am Wochenende oder nach längerer Pause, dann ist die Wohnung meistens sauber, die Laune ausgelassen – und die anstrengende Arbeit wird wenigstens kurz vergessen.

Fernbeziehungen: Vom schwierigen Start bis zum guten Ende

Die oder der Liebste ist perfekt: Genauso, wie man sich sie oder ihn immer erhoffte. Nur der Wohnort passt leider so gar nicht in die Traumvorstellung. Manchmal liegt es nur am Ort, manchmal

  • müssen Angehörige gepflegt werden,
  • ist eine Ausbildung oder ein Studium noch nicht beendet,
  • hat der neue, aufregende Job gerade erst gestartet!

Dann ist ein sofortiger Umzug einfach nicht drin. Nur mehr die Fernbeziehung bleibt, um das junge Glück nicht sofort wieder fallen zu lassen. Am Anfang ist das besonders schwierig, denn in der Verliebtheitsphase wollen Paare vor allem eins: einander ganz nah sein. Jede Trennung ist zu viel, selbst der Gang zum Bäcker ums Eck wird zur Zerreißprobe. Wer sich nach einem wundervollen Wochenende direkt für einige hundert Kilometer trennen muss, leidet besonders stark.

Was hilft: Nähe aufbauen, sobald man zusammen ist und intensiv Kontakt suchen, wenn man getrennt ist. Dann telefoniert man eben abends stundenlang und schaut morgens unausgeschlafen aus der Wäsche, dann schreibt man sich in den Pausen ununterbrochen Liebesbotschaften oder haucht kurze Nachrichten ins Telefon. Wie in jeder Beziehung lässt dieses brennende Verliebtheitsgefühl irgendwann nach.

In einer Beziehung ohne räumliche Trennung würden jetzt die ersten Konflikte einsetzen. Die rosarote Brille verrutscht, die kleinen Macken der oder des Liebsten werden sichtbarer. Da haben es diejenigen in der Fernbeziehung tatsächlich ganz gut, denn bei ihnen setzt diese objektivere Phase verzögert ein. Bis dahin kennt man den Menschen hinter den Macken aber viel besser und die Liebe ist stetig gewachsen.

Diskutieren und streiten will trotzdem gelernt werden! Denn nur weil man sich nur ab und an für wenige Tage ganz real sehen kann, treten doch auch Konflikte auf. Vielleicht wird die gemeinsam vereinbarte Gesprächszeit immer mal wieder beschnitten, weil die Partnerin oder der Partner viel später als vereinbart anruft. Oder einer hält sich über seinen Alltag so bedeckt, dass der jeweils andere kaum etwas erfährt – und auch keinen Anteil daran nehmen kann.

In der gemeinsamen Wohnung muss man in der Regel Strategien entwickeln, um die ersten Konflikte zu bewältigen. Beleidigt weglaufen ist nur bedingt hilfreich, wenn man doch zusammenwohnt! In einer Fernbeziehung wäre „einfach auflegen“ wohl das Äquivalent – allerdings ist das viel schmerzhafter für den Partner/die Partnerin, der/die ja nun nicht mal eben kurz vorbeischauen kann.

Gemeinsame Regeln für Diskussionen und Konflikte können deshalb so aussehen:

  • Keiner legt einfach so wütend auf!
  • Sobald man kann, geht man ans Telefon oder beantwortet Nachrichten. Und sei es drum, dass ein „Ich rede immer noch nicht mit dir!“ als Antwort erfolgt. Die Liebste /den Liebsten zu ignorieren, schmerzt und schürt nur die Sorge, es könnte etwas Schlimmes passiert sein!
  • Ernsthafte Konflikte klärt man besser direkt und persönlich. Auch wenn es einfacher scheint, sich stundenlang böse Nachrichten zu schicken – damit macht man eindeutig zu viel kaputt.

Haben Paare diesen Schritt der gemeinsamen Streitkultur erst bewältigt, ist die weitere Fernbeziehung trotz aller Schwierigkeiten sicher.

Das gute Ende kommt zum Schluss: Meistens ziehen Fernbeziehungspaare schließlich zusammen. Die Gründe für die Entfernung werden überwunden, es finden sich Lösungen für Wohnung, Arbeitgeber, Familie und Freundeskreise.

Bei einem kleineren Anteil der Beziehungen ist aber nach durchschnittlich zwei Jahren Schluss. Dann trennt man sich, weil die Belastung durch die Wochenendbeziehung doch zu hoch wurde.

Wochenendbeziehung: Hohe Anforderungen für Paare

Tatsächlich fordern Partnerschaften mit getrennten Wohnorten deutlich „mehr“ von Liebenden:

  • Mehr Geld für doppelte Haushaltsführung
  • Höhere Fahrkosten, um Zeit miteinander zu verbringen
  • Mehr Zeit, um die gemeinsamen Wochenenden zu organisieren
  • Mehr Aufwand für die Kommunikation unter der Woche oder zu den Zeiten, an denen man sich nicht mal eben besuchen kann

Die unstillbare Sehnsucht nach der oder dem Liebsten kommt noch obenauf. Ebenso wie die Einsamkeit, die sich bei vielen Paaren besonders dort einstellt, wo man sich üblicherweise gemeinsam hinbegibt:

  • Spontane Treffen unter Freunden oder mit den Kollegen
  • Familienfeste, Hochzeiten und Feiern
  • Wichtige gesellschaftliche oder berufliche Anlässe
     

Liegen diese zeitlich ungünstig, ist die Teilnahme für den entfernt lebenden Part nicht machbar. Das kann schnell zu dem Gefühl führen, die Partnerin oder der Partner wäre nicht ausreichend für einen da, würde sich nicht ähnlich stark wie man selbst für die Karriere, die Familie oder den Freundeskreis interessieren. Gedanken, die um unbewusste Anschuldigungen wie „Wenn er mich wirklich liebt, hätte er sich für meine Beförderungsfeier ja wirklich frei nehmen können!“ oder „Vielleicht will sie meine Familie doch gar nicht wirklich kennenlernen, wenn sie dafür nicht mal unter der Woche herfahren konnte!“ kreisen, vergiften die Beziehung. Besser, solche Punkte werden sofort und konkret angesprochen.

Der Punkt der Kommunikation ist bei Paaren in der Fernbeziehung noch eine Spur wichtiger, immerhin fehlen einem die kleinen, aber feinen mimischen und gestischen Ausdrücke beider Partner im täglichen Umgang miteinander. Manchmal neigen Fernbeziehungspaare auch dazu, Stress in der Arbeit oder Ärger über persönliche Dinge vom jeweils anderen fernzuhalten – immerhin mag man sich die gemeinsame Zeit am Telefon nicht damit vermiesen, über die Chefin oder den Chef zu schimpfen. Dabei spürt das Gegenüber oft nur zu genau, dass es im Partner/in der Partnerin brodelt. Allzu schnell startet das Gedankenkarussell mit Befürchtungen, selbst etwas getan zu haben, dass in oder sie verärgert.

Eifersucht: Gift für jede Fernbeziehung

Wochenendbeziehungen erfordern umfassendes Vertrauen von den Liebenden, immerhin ist sie der Inbegriff für Kontrollverlust. Man weiß weder, wann der Partner/die Partnerin aufsteht, noch wo – für jeden Informationsschnipsel muss auf die korrekte Aussage der bzw. des Liebsten vertraut werden.

Menschen mit starker Eifersucht finden sich in Wochenendbeziehungen deshalb kaum wider. Sie widerstrebt zu sehr dem, was sie für eine glückliche Beziehung eigentlich benötigen: Kontrollieren zu können, wo sich die Partnerin oder der Partner gerade aufhält – und mit wem.

Auch wenn die technischen Möglichkeiten dank Handyortung und diversen anderen elektronischen Spielereien theoretisch den Weg dafür ebnen könnten: In Ordnung ist so eine Kontrolle natürlich nicht.

Deshalb bricht man am Anfang einer Beziehung das Eifersuchtsthema am besten auf eine ganz simple Frage herunter: „Vertraust du mir?“

Bei einem Nein zur Antwort bleibt nur, vor allem sich selbst, aber auch den Herzensmenschen genauer unter die Lupe zu nehmen:

  • Was bringt mich dazu, ihre oder seine Aussagen anzuzweifeln?
  • Was brauche ich, um Vertrauen zu fassen?
  • Was brauche ich, um besitzergreifendes Verhalten oder Eifersucht zu tolerieren?
  • Wie gehe ich mit wiederkehrender Eifersucht in der Fernbeziehung um?

Für eine glückliche Beziehung – ob aus der Ferne oder nicht – ist Vertrauen immens wichtig. Die Hoffnung, mit dem Zusammenzug würde sich die Eifersucht schon erledigen, erfüllt sich leider nicht zwangsläufig.

Fernbeziehungen: Finanzielle Zerreißprobe

Der finanzielle Aspekt ist bei Liebenden mit getrennten Wohnsitzen auch nicht zu unterschätzen. Fällt es bei Paaren, die kaum zehn Kilometer voneinander entfernt leben, schon ins Gewicht? Sicher. Trotzdem können sie doch in Teilen Ausgaben reduzieren, etwa wenn sie gemeinsam mal beim einen, mal beim anderen essen, sich für Unternehmungen die Monatskarte oder das Auto teilen.

In einer Fernbeziehung fällt das weg. Die paar Stunden am Wochenende fallen beim normalen Alltag kaum ins Gewicht, wenn es um Rechnungen an der Kassa oder bei der Stromabrechnung geht. Entscheidet man sich ganz bewusst für die Fernbeziehung, sollten auch die Finanzen für diese Zeit der räumlichen Trennung auf dem Tisch landen:

  • Wer zahlt die Fahrtkosten?
    Jeder getrennt ist das übliche Modell. Ist einer der Partner noch in der Ausbildung oder finanziell weniger belastbar, ergibt sich womöglich ein Ungleichgewicht bei der Verteilung der finanziellen Last. Besser, man spricht es direkt an, statt dass sich einer der Partner in der Beziehung um seine letzten Ersparnisse bringt!
  • Wie regelt man die Ausgaben an den gemeinsamen Wochenenden?
    Tatsächlich müssen alle Paare irgendwann Regeln finden, wie sie sich das in der Beziehung vorstellen. Ehepaare setzen oft ein gemeinsames Konto ein. Ist die Beziehung noch nicht ganz so weit, braucht es klare Absprachen, wer wie viel beiträgt.
     

Trifft man sich nur alle paar Wochen oder hat ausschließlich die Wochenenden füreinander, fallen diese Tage viel opulenter aus – also teurer. Immerhin will man diese Zeit ja besonders genießen und zu erinnerungswürdigen Momenten machen. Essen und Kino, abends die Kneipentour oder doch lieber Hotels und Wellness für die Zeit zu zweit ist ab und an bestimmt drin. Ob es aber Wochenende für Wochenende immer wieder im Rahmen bleibt, das besprechen Paare besser nicht zu spät in der Fernbeziehung.

Durchhalten: 10 Tipps für alle, die in der Fernbeziehung leben und lieben

  1. Positiv denken
    Da hat man sich für die Fernbeziehung entschieden – und ab und an kommen all die schwierigen Punkte vor Augen, die Sehnsucht schmerzt, der Partner/die Partnerin fehlt? Besser, man führt sich die schönen und positiven Gründe vor Augen, weshalb die Fernbeziehung absolut richtig ist im Moment.
  2. Vorteile erkennen
    Ja, die eigenen kleinen Macken bleiben noch ein bisschen länger unentdeckt. Und der Herzensmensch kann gerne weiterhin seine seltsame Modelleisenbahn in seinem Wohnzimmer aufgebaut lassen. Fernbeziehungen haben eben doch ein paar Vorteile!
  3. Vertrauen lernen
    Wenn man in Wochenendbeziehungen eins können muss, dann das: Vertrauen! Kontrollanrufe und das Tracking ihrer oder seines Handys sind mit Sicherheit nicht angebracht. Also bleibt nur: Durchatmen und dem Partner/der Partnerin vertrauen.
  4. Fern-Dates vereinbaren
    Feste Zeiten für gemeinsame Telefonate, für Video-Chats und Co. werden am besten langfristig geplant. Das gibt Sicherheit – und verkürzt das Warten bis zum nächsten Treffen.
  5. Spannung halten!
    Schöne Unterwäsche oder ein extra Workout im Fitnessstudio sind definitiv eine kurze Nachricht samt Bild wert, um die Liebste/den Liebsten zwischendurch anzuheizen.
  6. Perfektion verabschieden
    Grippe, Regenwetter oder berufliche Termine verhageln die mühsam freigeschaufelte Zeit am Wochenende? Perfektion passt in keine Beziehung – also darf sie gerne gehen. Die gemeinsamen Momente leben davon, dass sie echt sind – und nicht einer überhöhten Vorstellung von Paarzeit genügen müssen.
  7. Positive Kommunikation
    Gilt eigentlich für jede Beziehung, auf Distanz aber umso mehr: Frust und schlechte Laune dürfen heraus, aber bitte nicht am Partner/an der Partnerin ausgelassen werden.
  8. Finanzielle klären
    Fernbeziehungen können ganz schön ins Geld gehen – und das ist ja bekanntlich ein beliebtes Streitthema. Bringt man die Punkte rechtzeitig auf den Tisch, baut sich erst gar kein versteckter Frust über vermeintlich ungerechte Beteiligung auf. Also besser gleich zu Anfang ansprechen und immer mal wieder nachjustieren, wenn sich etwas an der finanziellen Situation ändert.
  9. Langfristige Ziele stecken
    Ein gemeinsamer Lebensentwurf bindet. Also macht man am besten Pläne für die gemeinsame Zeit: Reisen, Familie, gemeinsame Wohnung, zusammen alt werden.
  10. Das Ende festlegen!
    Eine Fernbeziehung kann auch über lange Zeit funktionieren. Aber mit einem festen Zeitrahmen ist sie leichter zu ertragen. Also: Wenn sich der Grund für eine Fernbeziehung ändert, sollte auch die räumliche Trennung ein Ende finden.